Friedensnobelpreis 1994: Jasir Mohammed Arafat — Shimon Peres — Itzhak Rabin

Friedensnobelpreis 1994: Jasir Mohammed Arafat — Shimon Peres — Itzhak Rabin
Friedensnobelpreis 1994: Jasir Mohammed Arafat — Shimon Peres — Itzhak Rabin
 
Der PLO-Führer und die beiden israelischen Politiker wurden für ihre Friedensbemühungen im Nahen Osten ausgezeichnet.
 
 Biografien
 
Jasir Mohammed Arafat (eigentlich Rahman Abd ar-Rauf Arafat al-Qudwa al-Husaini), * Kairo (nach anderen Angaben: Jerusalem) 27. 8. 1929; 1951-56 Ingenieurstudium in Kairo, 1957-65 Bauingenieur in Kuwait, 1958 Gründung/ab 1967 Führung der Al Fatah, 1969 PLO-Vorsitzender, seit 1996 Präsident des Autonomierats.
 
Shimon Peres * Wołożyn (Weißrussland) 15. 8. 1923 (als Simon Persky); 1934 Einwanderung nach Palästina, 1969-77 verschiedene Ministerämter (u. a. Verteidigung 1974-77), 1977-92 und 1995-97 Vorsitzender der Arbeiterpartei, 1986-88, 1992-95 Außenminister, 1984-86, 1995-96 Ministerpräsident.
 
Itzhak Rabin * Jerusalem 1. 3. 1922, ✝ Tel Aviv-Jaffa 4. 11. 1995 (ermordet); 1940 Eintritt in die Armee der jüdischen Siedler, 1964-68 Generalstabschef der israelischen Armee, 1968-73 israelischer Botschafter in den USA, 1974-77, 1992-95 Vorsitzender der Arbeiterpartei, 1974-77, 1992-95 Ministerpräsident, 1984-90 Verteidigungsminister.
 
 Würdigung der preisgekrönten Leistung
 
Am 13. September 1993 erklärt Israels Premierminister Itzhak Rabin vor dem Weißen Haus in Washington: »Wir sagen Ihnen heute mit lauter und deutlicher Stimme: Es ist genug Blut, es sind genug Tränen geflossen. Genug!« Doch obwohl er an diesem Tag das bahnbrechende Gaza-Jericho-Abkommen unterzeichnet hat, das der erste Schritt zur Beendigung des Palästinenserproblems sein könnte, zögert er zunächst merklich, als ihm PLO-Chef Jasir Arafat die Hand entgegenstreckt — zu ungewohnt ist es für ihn noch, dem Mann, der Jahrzehnte lang gedroht hat, Israel zu zerstören, die Hand zur Versöhnung zu reichen. So kommt dieser Händedruck zwischen Arafat, Rabin und Shimon Peres, der als israelischer Außenminister maßgeblich an den Verhandlungen beteiligt war, einer politischen Sensation gleich. Im darauffolgenden Jahr werden die drei Politiker mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Doch die Wahl der Preisträger ist keineswegs unumstritten und wird sehr kontrovers diskutiert.
 
 Mit Waffe und Olivenzweig
 
Im Fall Jasir Arafats, den ein Nobelpreiskomiteemitglied wegen seiner terroristischen Vergangenheit sogar als »unwürdigen Preisträger« bezeichnet, dessen »Vergangenheit von Terror, Gewalt und Blutvergießen geprägt« gewesen sei, sind solche Einwände keinesfalls unberechtigt. Denn als Mitbegründer und Führer der 1958 ins Leben gerufenen Al-Fatah-Guerilla-Bewegung und als Chef der Palästinensischen Befreiungsorganisation trägt er die Verantwortung für zahllose Terroranschläge, Bombenattentate, Flugzeugentführungen, Geiselnahmen und Morde wie etwa den Überfall des Schwarzen September auf die israelische Olympiamannschaft bei den Olympischen Spielen in München 1972. Er selbst rechtfertigt diese Gewaltaktionen als legitimen Kampf für die Rechte der heimatlosen Palästinenser in den verwahrlosten Flüchtlingslagern im Libanon und in Jordanien und den von Israel besetzten Gebieten des Gazastreifens und der Westbank. Dem gewieften Taktiker gelingt es schließlich, die PLO in der arabischen Welt zur einzig legitimen Repräsentatin des palästinensischen Volkes zu machen. 1974 tritt Arafat »mit einem Olivenzweig und der Waffe des Freiheitskämpfers in der Hand« auch vor der Vollversammlung der UNO für die Interessen der Palästinenser ein. Doch es dauert noch einmal 14 Jahre, bis der PLO-Vorsitzende durch die Anerkennung des Existenzrechts Israels Gesprächsbereitschaft mit dem jüdischen Staat signalisiert.
 
 Mit eiserner Faust gegen die Intifada
 
Auch Itzhak Rabin hat sich erst kurz vor dem Friedensschluss mit den Palästinensern vom Falken zur Friedenstaube gewandelt. Mit dem Eintritt in den Palmach, der militärischen Elitetruppe der jüdischen Siedler, beginnt 1940 seine Armee-Karriere, während der er bis zum Generalstabschef der israelischen Armee und zum Helden des Sechstagekriegs aufsteigt. Danach wechselt er in die Politik und ringt mit Shimon Peres jahrelang um die Führung der Arbeiterpartei. Als 1987 die Intifada, der gewalttätige Aufstand der Palästinenser gegen die israelische Besatzungsmacht, beginnt, ist Rabin Verteidigungsminister und erwirbt sich den Beinamen »Eiserne Faust«, als er seinen Soldaten befiehlt, den Palästinensern die Knochen zu brechen. Nach seinem Wahlsieg 1992 beginnt der einstige Hardliner als israelischer Premierminister aber überraschend einen Dialog mit der PLO.
 
Großen Anteil an Rabins Sinneswandel hat der damalige israelische Außenminister Shimon Peres, denn er überzeugt seinen langjährigen Rivalen in der Arbeiterpartei von der Notwendigkeit, das Palästinenserproblem friedlich zu lösen. Schon im Alter von 25 Jahren wird Peres Abgeordneter der Knesset und bekleidet im Lauf seiner Karriere zahlreiche Ministerämter. Doch er ist nicht nur Politiker, sondern auch Visionär, der von einem Nahen Osten »ohne Fronten, ohne Feinde, ohne ballistische Raketen und ohne nukleare Sprengköpfe« träumt, einem Nahen Osten, »der kein Schlachtfeld, sondern ein Feld der Kreativität und des Wachstums ist«. Und da sein Anteil an den israelischen Friedensbemühungen ebenso groß ist wie der Rabins, entschließt sich das Nobelpreiskomitee in letzter Minute, auch ihn mit dem Friedensnobelpreis auszuzeichnen. Denn durch seinen maßgeblichen Einfluss kommt es 1993 nach monatelangen Geheimverhandlungen unter Vermittlung der norwegischen Regierung endlich zum Durchbruch bei den Friedensbemühungen für den Nahen Osten: Das Gaza-Jericho-Abkommen regelt die gegenseitige Anerkennung Israels und der PLO und ebnet den Weg zu einer palästinensischen Selbstverwaltung im Gazastreifen und in Jericho. 1994 zieht sich die israelische Armee aus diesen Gebieten zurück und stellt sie unter palästinensische Kontrolle. Im selben Jahr unterzeichnen Rabin und König Hussein von Jordanien eine Friedensvereinbarung zwischen ihren Ländern.
 
 Rückschläge
 
Doch der Friedensprozess im Nahen Osten ist seit diesem viel versprechenden Beginn 1993 ständigen Rückschlägen ausgesetzt: 1995 verliert er auf israelischer Seite seinen wichtigsten Fürsprecher, als Itzhak Rabin von einem rechtsradikalen jüdischen Jurastudenten erschossen wird. Shimon Peres übernimmt das Amt des Ministerpräsidenten, verliert aber 1996 die Wahlen. Der neue Premierminister Benjamin Netanjahu vom rechtsgerichteten Likud-Block bringt den Friedensprozess durch seine aggressive Siedlungspolitik in der Westbank und Verzögerungen beim Truppenabzug immer wieder zum Stocken. Auf palästinensischer Seite wiederum sorgen die Hamas und andere radikalislamische Bewegungen immer wieder durch Bombenanschläge und Selbstmordattentate für zahlreiche Opfer. Und seit im Herbst 2000 trotz intensiver Verhandlungen zwischen Ministerpräsident Barak und Arafat eine neue Welle der Gewalt über Palästina hereingebrochen ist und tagtäglich auf beiden Seiten Tote fordert, scheint die Aussicht auf eine friedliche Lösung des Konflikts in weite Ferne gerückt zu sein.
 
S. Straub

Universal-Lexikon. 2012.

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